Es war einmal ein jugendlicher Bär. Der wohnte in einem italienischen Naturpark in den Alpen. Der Bär hieß JJ1. Er war ein unternehmungslustiger Geselle. Deshalb beschloss er eines Tages, einen kleinen Ausflug zu machen. JJ1 machte sich also auf den Weg. Nachdem er eine Weile so vor sich hingewandert war und sich an der Natur rings um ihn her ergötzt hatte, führte ihn sein Weg auch nach Österreich und nach Deutschland.
Damit hatte er etwas Verbotenes getan. Er hatte nämlich mehrfach die Grenze überschritten. Aber davon wußte JJ1 nichts. Leider wußte er auch nicht, dass er hierzulande nicht so einfach mir nichts, dir nichts Futter fangen darf. Sein Hunger kostete gut zwei Dutzend Schafen das Leben, was eigentlich nicht so viel für einen jungen Bären in der Blüte seiner Jugend ist. JJ1 musste ja auch noch wachsen. Die Schafe waren auch nicht schlau genug auseinanderzulaufen, wenn ein Bär plötzlich inmitten ihrer Herde auftauchte. Schafe sind ein bisschen verschnarcht und bleiben immer beieinander. Das machte es JJ1 leicht, sie zu erbeuten.
JJ1, der mittlerweile auf den Namen Bruno getauft worden war, machte auf der Schafsjagd seinen ersten schweren Fehler. Weil nämlich Schafe durch ihr Fluchtverhalten reflexartig die Tötungshandlung auslösen, biss Bruno mehr Schafe tot, als er aufessen mochte. Da waren seine Augen wohl größer als der Magen gewesen. Und das gewöhnt man ja bekanntlich schon kleinen Kindern ab. Die Bauern, denen die Schafe gehörten, begannen zu murren. "Warum reißt der blöde Bär soviele Schafe, wenn er sie doch gar nicht essen mag! Wer ersetzt uns denn jetzt unsere Schafe?" riefen sie und verlangten Kompensation, wenn nicht gar Rache.
Und dann tat Bruno etwas gänzlich Unverzeihliches: Eines Nachts plünderte er den Hasenstall eines kleinen Mädchens. Und kleine Mädchen, die zur besten Sendezeit in den Abendnachrichten in aller Öffentlichkeit in die aufgestellten Mikrofone schluchzen, machen ganz, ganz schlechte Presse. Das wußten auch die Politiker in Bayern. Der Bär musste weg! Da war man sich einig. Es wurde beschlossen, sich Brunos zu entledigen. Aber was sollte man nun machen? Das Problem war groß, bärig groß. Normalerweise hieße das, dass man Bruno mit Knallfröschen und Gummigeschossen solange nervt, bis er freiwillig wieder abziehen würde. Weil Bruno wegen der blöden Sache mit den Schafen aber als Problembär angesehen wurde, beschloss man, Nägel mit Köpfen zu machen und ihn zur Strecke zu bringen. Nachdem alle Versuche, ihn lebendig einzufangen, gescheitert waren, wurde er am Morgen des 26. Juni auf der Kümpflalm gestellt und erlegt. Bruno war der erste große Beutegreifer, der sich seit über 170 Jahren freiwillig auf deutsches Staatsgebiet verlaufen hatte.
Jetzt ist Bruno wieder auferstanden aus Ruinen. Im Museum in München können ihn nun alle gefahrlos bewundern - sogar Schafe und kleine Mädchen.