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26. März 2008

Urside Metamorphosen - #2 in weiß

Es war einmal ein kleiner Eisbär, der erblickte das Licht der Welt in einem deutschen Zoo. Damit schien er das große Los gezogen zu haben, denn anders als seinen Artgenossen in der freien Wildbahn tauen ihm nicht Grund und Boden unter seinem pelzigen Hinterteil weg. Leider mochte ihn aber seine Mutti nicht - und deshalb mussten menschliche Eltern einspringen, um ihn großzuziehen. Der kleine Bär bekam also einen Namen und hieß fortan Knut.

Knut war ein putziger und lebhafter kleiner Kerl und die Menschen mochten ihn sehr; so sehr, dass schon bei seinem ersten Ausgang im Alter von drei Monaten Tausende von Besuchern kamen. Extra wegen ihm. Den ganzen Sommer hindurch gingen jeden Tag viele, viele Menschen in den Zoo; die meisten deshalb, weil sie Knut sehen wollten.

Schließlich waren es so viele, dass man Vorkehrungen treffen musste, dass die vielen Besucher Knut überhaupt zu Gesicht bekamen. Den ganzen Tag wollte er schließlich auch nicht draußen rumhängen, nur damit ihn alle begaffen können. Deshalb ließ man die Besucher nur ein paar Minuten gucken und dann mussten sie für andere Platz machen. Außerdem bekam Knut eine eigene Homepage und ziemlich viele Blogs. Hier ist nur das Ur-Knut-Blog verlinkt und hier noch ein anders als Beispiel. So konnte man ihn jederzeit besuchen. Nach ein paar Monaten war Schluß mit dem Knut-Sommer. Er war zu kräftig geworden und das Herumtollen mit ihm zu gefährlich für seinen Pfleger. Zu dem Zeitpunkt war Knut längst ein Medien-Star. Unabhängig davon, wie er heute wirklich ausschaut, bleibt er im Netz immer klein, weiß und puschlig und hat schwarze Knopfaugen.

Die schlechte Nachricht ist: Der ganze Hype um Knut hat nicht dazu geführt, dass sich irgend jemand ernsthaft um die Eisbären und ihren Lebensraum außerhalb des Zoos Gedanken machen würde. Da ist es gut zu wissen, dass uns mit Flocke und Wilbär auch diesen Sommer wieder der mediale Eisbär-Overkill erwarten wird. Bleibt zu hoffen, dass wir es diesmal besser machen. Dann gibt's vielleicht auch noch in 50 Jahren freie, wilde Eisbären in der Arktis - und nicht nur solche im Zoo.

Urside Metamorphosen - #1 in braun

Es war einmal ein jugendlicher Bär. Der wohnte in einem italienischen Naturpark in den Alpen. Der Bär hieß JJ1. Er war ein unternehmungslustiger Geselle. Deshalb beschloss er eines Tages, einen kleinen Ausflug zu machen. JJ1 machte sich also auf den Weg. Nachdem er eine Weile so vor sich hingewandert war und sich an der Natur rings um ihn her ergötzt hatte, führte ihn sein Weg auch nach Österreich und nach Deutschland.

Damit hatte er etwas Verbotenes getan. Er hatte nämlich mehrfach die Grenze überschritten. Aber davon wußte JJ1 nichts. Leider wußte er auch nicht, dass er hierzulande nicht so einfach mir nichts, dir nichts Futter fangen darf. Sein Hunger kostete gut zwei Dutzend Schafen das Leben, was eigentlich nicht so viel für einen jungen Bären in der Blüte seiner Jugend ist. JJ1 musste ja auch noch wachsen. Die Schafe waren auch nicht schlau genug auseinanderzulaufen, wenn ein Bär plötzlich inmitten ihrer Herde auftauchte. Schafe sind ein bisschen verschnarcht und bleiben immer beieinander. Das machte es JJ1 leicht, sie zu erbeuten.

JJ1, der mittlerweile auf den Namen Bruno getauft worden war, machte auf der Schafsjagd seinen ersten schweren Fehler. Weil nämlich Schafe durch ihr Fluchtverhalten reflexartig die Tötungshandlung auslösen, biss Bruno mehr Schafe tot, als er aufessen mochte. Da waren seine Augen wohl größer als der Magen gewesen. Und das gewöhnt man ja bekanntlich schon kleinen Kindern ab. Die Bauern, denen die Schafe gehörten, begannen zu murren. "Warum reißt der blöde Bär soviele Schafe, wenn er sie doch gar nicht essen mag! Wer ersetzt uns denn jetzt unsere Schafe?" riefen sie und verlangten Kompensation, wenn nicht gar Rache.

Und dann tat Bruno etwas gänzlich Unverzeihliches: Eines Nachts plünderte er den Hasenstall eines kleinen Mädchens. Und kleine Mädchen, die zur besten Sendezeit in den Abendnachrichten in aller Öffentlichkeit in die aufgestellten Mikrofone schluchzen, machen ganz, ganz schlechte Presse. Das wußten auch die Politiker in Bayern. Der Bär musste weg! Da war man sich einig. Es wurde beschlossen, sich Brunos zu entledigen. Aber was sollte man nun machen? Das Problem war groß, bärig groß. Normalerweise hieße das, dass man Bruno mit Knallfröschen und Gummigeschossen solange nervt, bis er freiwillig wieder abziehen würde. Weil Bruno wegen der blöden Sache mit den Schafen aber als Problembär angesehen wurde, beschloss man, Nägel mit Köpfen zu machen und ihn zur Strecke zu bringen. Nachdem alle Versuche, ihn lebendig einzufangen, gescheitert waren, wurde er am Morgen des 26. Juni auf der Kümpflalm gestellt und erlegt. Bruno war der erste große Beutegreifer, der sich seit über 170 Jahren freiwillig auf deutsches Staatsgebiet verlaufen hatte.

Jetzt ist Bruno wieder auferstanden aus Ruinen. Im Museum in München können ihn nun alle gefahrlos bewundern - sogar Schafe und kleine Mädchen.

Schneegestöber

Schon wieder Licht an am Küchentisch

Jetzt schaut euch bitte das mal an:

Frechheit! Es ist Ende März und nachdem es jetzt monatelang keinen Winter gegeben hat, kamen gestern die Monsterschneeflocken geflogen. Handtellergroß und kugelrund. Aber jetzt langt's trotzdem und ich finde, es wird Zeit für Frühlingsgefühle!

21. März 2008

Magenverstimmung

Draußen nächtliches Schneetreiben

Jean-Christophe Grangés Flug der Störche wurde heute ausgelesen und direkt danach weggeworfen. Das Buch ist ein abscheuliches Machwerk. Alles was es dazu noch zu sagen gibt, hat Krimi-Mimi auf der Krimi-Couch hinterlassen, nämlich hier.

16. März 2008

Defibrillieren in der Straßenbahn

Fliegende Wolkenhaufen vorm Fenster

Mein Lieblingsautor Jean-Christophe hat sich dem öffentlichen Personennahverkehr in Sofia gewidmet. Getting around in Sofia mit Jean-Christophe:

"Auf nassem Kopfsteinpflaster holperten die Ladas, gerieten ins Schleudern und hüpften mitunter wie altmodisches Spielzeug; oft schafften sie es nur mit Mühe, den Straßenbahnen auszuweichen, die allgegenwärtig waren und die eigentlichen Helden der Straße: mit ohrenbetäubendem Getöse tauchten sie aus dem Nichts auf und schickten blaue Blitze in den Gewitterhimmel. Durch die Fenster sah ich, wie die trübe gelbe Beleuchtung auf den verschlossenen Gesichtern der Passagiere flackerte und schließlich erlosch, und diese sonderbaren Wagen erschienen mir fast wie der Schauplatz eines makabren Experiments - eines kollektiven Elektroschocks, bleich und unheimlich, vorgenommen an blutleeren Versuchspersonen."
Der Flug der Störche, Jean-Christophe Grangé

Hier fährt man ja in gewissem Sinne mit praktisch schon Toten in der Straßenbahn. Die Anämie der Transportfälle deutet auf Blutsauger und Vampire hin. Für J.-C. muss Sofia offenbar mitten in Transsylvanien liegen. Bulgarien, Rumänien, wer weiß das schon so genau? Und da Bram Stoker selbst es mit der Geografie der Karpaten bereits nicht wirklich genau nahm, kann man J.-C. kaum einen Strick daraus drehen. Bei den neuen EU-Mitgliedern blickt sowieso keiner mehr richtig durch, jedenfalls J.-C. nicht... Das ist ein bisschen unfair, denn das Buch stammt im Original von 1994. Und wer konnte zu diesem Zeitpunkt schon wissen, dass Länder des ehemaligen Warschauer Paktes nur zehn Jahre darauf der Europäischen Union beitreten würden.

Obwohl ja die elektrischen Blitze der Straßenbahnen eigentlich mehr an den Defibrillator und die Gebärmaschine von Baron Viktor Frankenstein erinnern. Aber der hat ja in Ingolstadt Tote zum Leben erweckt und kam nicht mal in die Nähe von Bulgarien, Rumänien oder der Karpaten. Am Ende besteigt er in Archangelsk ein Schiff, um die von ihm erweckte Kreatur wieder einzufangen. Zwischen Archangelsk und Sofia liegen mehr Gebirge als nur die Karpaten; zum Beispiel auch der Ural.

Dem Flug der Störche folgend mutet uns Jean-Christophe ein ziemliches Reisepensum zu. Es wird noch nach Afrika gehen und darauf bin ich schon sehr gespannt. Sollte dabei etwas herauskommen, was nicht zu peinlich für den guten J.-C. ausgeht, werde ich mit Sicherheit darüber berichten.

14. März 2008

Tibet

Ob Tag oder Nacht und ganz egal, wo auf diesem Planeten!

Bilder und News gibt es hier.

12. März 2008

Geisterstunde

Eine mondlose Nacht am Küchentisch

"White on white translucent black capes
Back on the rack
Bela Lugosi's dead
The bats have left the bell tower
The victims have been bled
Red velvet lines the black box
Bela Lugosi's dead
Undead undead undead
The virginal brides file past his tomb
Strewn with time's dead flowers
Bereft in deathly bloom
Alone in a darkened room
The count
Bela Logosi's dead
Undead undead undead"
Bela Lugosi's dead, Bauhaus

Heute mal ein kleiner Ausflug nach Transsylvanien. Ich habe jedenfalls wahrhafte Horrortrips hinter mir die letzten Tage. Da hilft nur eine kleine Dosis Bela Lugosi, der so schön theatralisch dämonisch und leidend sein kann. Das hat ausser ihm in auch nur annähernd vergleichbarer Weise nur noch Vincent Price als Dr. Phibes fertig gebracht:

"My love, precious jewel and noble wife. Severed, too quickly, too cruelly from this life. I alone remain to give delivery of your pain. Nine killed you. Nine shall die. Nine times, nine! Nine killed you! Nine shall die! Nine eternities in doom!"
Dr. Anton Phibes in The Abominable Dr. Phibes

Jetzt darf natürlich auch der letzte in der Runde, Boris Karloff, nicht fehlen. Dafür müssen wir allerdings nach Ägypten, zum Grabe Im-ho-teps. Sorry, aber gegen Boris Karloffs hypnotische Augen kommen moderne Schauspieler aller Tricktechnik zum Trotz nicht wirklich an. Unvergessen ist er auch als Kopf einer Sekte von Teufelsanbetern in The Black Cat. Dort spielt er den Architekten Hjalmar Poelzig und sprach die folgenden, legendären Sätze:

"The phone is dead. Do you hear that, Vitus? Even the phone is dead. "
Hjalmar Poelzig in The Black Cat

4. März 2008

Radioaktives Quecksilber II

Noch dunkel am Küchentisch

Ich habe eine neue Landschaftsbeschreibung bei Jean-Christophe Grangé, dem Meister des Adjektivs, gefunden. Diesmal handelt es sich um den Genfer See kurz vor einem Sommergewitter. Das Gewitter muss allerdings dann wegen Leichenfund ausfallen.

"Am Himmel ballten sich bläulichschwarze Wolkenmassen, zwischen denen glashelle Abgründe klafften, und ein heißer Wind wehte aus allen Richtungen. Ich fuhr in einem gemieteten Kabrio am Ufer des Genfer Sees entlang. In einer Kurve tauchte Montreux auf, wie ein Schemen in der elektrisch geladenen Luft. Der See schlug unruhige Wellen, und die Hotels schienen, trotz der Touristensaison, zu düsterem Schweigen verurteilt."
Der Flug der Störche, Jean-Christophe Grangé

Falls ihr den ersten Teil des 'radioaktiven Quecksilbers' verpasst habt, ist er hier zu finden.