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29. Januar 2008

Rache - eiskalt und höllisch heiß

Raserei bei Dunkelheit

"La vengeance est un plat qui se mange froid."
Liaisons dangereuses, Pierre-Ambroise-Francois Choderlos de Laclos

Den Text drumherum zum Weiterlesen gibt es hier.

Herbert G. Wells dagegen lässt in der Geschichte Der Gasfang ganz wortwörtlich seinen Nebenbuhler in der Hölle schmoren. Die Geschichte erschien im Jahr 1895, in dem er seine zweite Frau, Amy Catherine Robbins, heiratete. Seine erste Ehe mit einer Kusine hatte keine vier Jahre gehalten - und offenbar hat sie ihn hintergangen. Herbert G. Wells, ganz rachsüchtiges Biest, revanchierte sich mit einer Geschichte. Darin ertappt der Stahlkocher Horrocks seine Frau und ihren Liebhaber Raut in flagranti. Raut versucht ihm vorzuspiegeln, er wollte eigentlich ihn, Horrocks, aufsuchen, weil er ihm versprochen habe, ihm einige schöne Kontrastwirkungen der Hochöfen zu zeigen. Horrocks ergreift die Gelegenheit beim Schopf und führt seinen Widersacher durch Schlackehalden zu den Hochöfen. Als sie sich den Walzwerken nähern, ergibt sich folgende Situation:

"Horrocks deutete auf den Kanal, der jetzt dicht vor ihnen lag: ein unheimlicher Ort im blutroten Widerschein der Hochöfen. Etwa fünfzig Meter weiter oben schoß das heiße Wasser, das die Düsen kühlte - ein stürmischer, fast brodelnder Zufluß, und der Dampf stieg vom Wasser in ruhigen, weißen Schwaden und Streifen auf und legte sich feucht um sie, ein ununterbrochener Gespensterreigen, der aus den schwarzen und roten Wirbeln stieg, ein weißes Emporschweben, das einem die Besinnung raubte. Der glänzende schwarze Turm des Hochofens ragte aus dem Nebel, und sein dröhnender Lärm drang bis zu ihnen. Raut hielt sich vom Rand des Wassers ein wenig fern und beobachtete Horrocks. "Hier ist er rot", sagte Horrocks, "ein blutroter Dampf, rot und heiß wie die Sünde, aber dort hinten, wo das Mondlicht drauffällt und er über die Schlackehaufen kriecht, ist er weiß wie der Tod."

Raut deutet die Anspielungen Horrocks' ganz richtig, begreift aber immer noch nicht, in welcher Gefahr er schwebt. Schließlich erreichen sie den Gasfang des Hochofens. Horrocks erzählt:

"In der Mitte", brüllte Horrocks, "ist die Temperatur fast tausend Grad. Wenn man dich hineinwerfen würde ... du würdest in Flammen aufgehen wie Pulver über einer Kerze. Streck einmal die Hand aus und fühl, wie heiß sein Atem ist. Sogar hier oben noch habe ich das Regenwasser an den Rollwagen glatt in Dunst aufgehen sehen. Und der Gasfang! Höllisch heiß. Nichts, um Kuchen darin zu backen. Auf dem höchsten Punkt dreihundert Grad. (...) Da kocht dir in einer Sekunde das Blut im Leibe!"
Der Gasfang, Herbert George Wells

Muß ich tatsächlich noch erzählen, wie die Geschichte endet? Lest es doch selbst, hier zum Beispiel.

Allein, aber nicht einsam

Des Abends im Boudoir

Am 23. Januar ist Jeanne Moreau, eine ganz Große unter den alleinreisenden Frauen auf diesem Planeten, achtzig Jahre alt geworden. Sie ist eine atemberaubend schöne Frau, immer noch. Ihre Schönheit ist nicht so aufdringlich und platt, wie die derjenigen, mit der sie hier zusammen gezeigt wird. Sie ist ganz geheimnisvoll und man muss ihr nachspüren. Die größte Überraschung ist für mich aber das hier. Hat sie doch Mata Hari gespielt, die Schelmin! Ist das nicht umwerfend und zauberhaft?

In siebzig Tagen zu sich selbst

Dunkelheit umwogt die Beine des Küchentischs

Die letzten Tage habe ich den geheimen Teilhaber von Joseph Conrad gelesen. Eine ziemliche Enttäuschung. Diese Novelle aus dem Jahr 1909 scheint eine Art Fingerübung für Schattenlinie (1917) gewesen zu sein. Sie ist dermaßen überladen mit Symbolen für einen Übergang, eine Initiation, dass man völlig betäubt davon ist. Das ist Psychologie mit dem Vorschlaghammer. Die interessante Frage wäre dann, wie Conrad auf die Idee kam, im Titel das Wort "secret" zu verwenden; subtil ist das alles nämlich nicht. Eine schöne Stelle hab ich dann doch noch gefunden:

"Eine Grupper kahler Inselchen, die an Ruinen von Mauern, Türmen und Blockhäusern erinnerten, erhob sich zur Linken aus dem blauen Meer, das wie erstarrt wirkte, so ruhig und unbeweglich lag es zu meinen Füßen; selbst die Lichtbahn der untergehenden Sonne leuchtete mild, ohne das lebhafte Glitzern, das von einem unmerklichen Gekräusel des Wassers zeugt. Und als ich mich umwandte, um einen Abschiedsblick auf den Schlepper zu werfen, der uns soeben verlassen hatte - wir waren außerhalb der Barre vor Anker gegangen -, sah ich die gerade Linie der flachen Küste in vollkommener Geschlossenheit an das unbewegliche Meer geschmiegt - in einer Ebene, halb braun, halb blau unter der riesigen Kuppel des Himmels."

Es ist ein Bild völliger Ruhe und Bewegungslosigkeit. Und damit das auch der letzte Depp kapiert, folgt auf der nächsten Seite:

"Am Ausgangspunkt einer langen Reise schwamm es ganz ruhig in einer unermesslichen Stille, die untergehende Sonne warf die Schatten seiner Rundhölzer weit nach Osten. In diesem Augenblick war ich allein auf seinen Decks. Kein Laut war an Bord zu hören - nichts rundum regte sich, nichts lebte, nicht ein Kanu auf dem Wasser, nicht ein Vogel in der Luft, nicht eine Wolke am Himmel. In diesem atemlosen Innehalten an der Schwelle einer langen Überfahrt schienen wir unsere Tauglichkeit für das lange und mühevolle Unternehmen abzuwägen, für die Aufgabe, die wir beide vollbringen mussten - fern von jedem menschlichen Auge, nur den Himmel und das Meer als Zuschauer und Richter."
Der geheime Teilhaber, Joseph Conrad

In summa handelt es sich schon um ein Stück Reiseliteratur - auf der Entdeckungsreise zu sich selbst und damit, wie schon gesagt, die Schilderung eines Übergangs, einer Initiation. Allerdings kann man dasselbe auch besser lesen, sogar bei Conrad selbst. Schade!

28. Januar 2008

Kurz noch in die Waschanlage

Paris, Vormittags am heimischen Schreibtisch

Da hatte ich doch gestern auf meiner Rückreise noch ein Abenteuer ganz spezieller Natur. Obwohl man nicht meinen sollte, dass Sonntag früh um sieben Hochbetrieb in Charles-de-Gaulle herrscht, war es dann so. Und da sich unser Abflug unvorhergesehen ein bisschen verzögert hat, fuhr der Pilot mit der Maschine kurzerhand nochmal in die Waschanlage.

Wir standen mit dem Flieger irgendwo in der Flughafenperipherie herum. Dann kamen zwei gangway-artige Gefährte von links und rechts auf uns zugefahren. An deren oberem Ende befand sich eine Kabine auf einer Plattform, in der jeweils der Steuermann oder die Steuerfrau saß. Um sich herum hatten sie jede Menge an Schwenkarmen angebrachte Rüssel und Spritzen, die offensichtlich von der Kabine aus bedient werden konnten. Nachdem sie ein bisschen gerüsselt und gespritzt hatten, schön von hinten nach vorne, kam plötzlich irgendwo her jede Menge Dampf und ich konnte die weiteren Ereignisse nicht mehr mitverfolgen. Ob daher am Ende trockengeföhnt und gewachst wurde, weiß ich nicht. Fest steht jedenfalls, dass die Passagiere das seltene Schauspiel noch mehr genossen hätten, wenn dabei schon mal ein Kaffee serviert worden wäre.

Jedenfalls war das wirklich was Neues für mich. Auf dem Heimweg waren wir dann so sauber, dass wir für den Rückweg keine Stunde gebraucht haben. Merke: Selbst bei kurzen Strecken verlieren dreckige Flugzeuge Zeit und demzufolge Sprit. Wenn sie sauber sind, fliegen sie offenbar geschmeidiger. Das kommt durch den herabgesetzten Reibungswiderstand, wie ich hier rausgefunden habe. Aber wodurch wird ein Flugzeug so hoch oben eigentlich dreckig? Oder lagert sich der Dreck nur dann ab, wenn sie auf den Flughäfen herumfahren? Und wie ist das mit der Reibung? Soll eine Flugzeugoberfläche besonders schmutzabweisend sein? Sehr rätselhaft und mysteriös.

27. Januar 2008

Nach Hause!

Vor Tagesanbruch in der Pariser Cité

Es ist wieder, wie jedesmal, wenn ich auf Reisen gehe: Ich möchte am liebsten sofort ohne Jacke losstürzen und den Lieben daheim in die Arme fliegen. Stattdessen sitz ich hier und muss noch warten. Frühstücken, den Zimmerschlüssel abliefern, den Müll rausbringen usw. usf. Vermutlich werde ich vor lauter Ungeduld auch viel zu früh am Airport sein und dort wieder warten. Schrecklich! Ob das anderen auch so geht, dass sie immer viel zu früh fertig sind und nicht die Hälfte der Zeit brauchen, die sie dafür einkalkulieren? C. ist immer auf den absolut letzten Drücker fertig - das andere Extrem.

26. Januar 2008

Jérôme, Jérôme, le métronome ...

Paris, Lampenlicht am Schreibtisch

... ist leider völlig aus dem Takt geraten, jedenfalls bei der Société générale (Ach, ein Wort mit so vielen accents bringt den kleinen Finger meiner rechten Hand zum Tanzen). Dafür, dass er 5.000.000.000 Euro in den Sand gesetzt hat, sieht er auf den Bildern, die seit heute überall im Netz zu sehen sind, bedauernswert übellaunig aus. Nick Leeson hat nach eigenem Bekunden bei wesentlich geringeren Beträgen schlecht geschlafen. Über Jérôme war heute zu lesen, dass seine Verluste zeitweilig zehnmal so hoch waren. Damit hätten sie den Marktwert der Société weit überstiegen.

Bei solchen Zahlen bleibt mir einfach nur die Spucke weg. Aber natürlich ist das hier Tagesthema Nummer eins. Alle sind völlig fassungslos und schütteln nur den Kopf. Das ist einfach unvorstellbar viel Geld. Wenn man bedenkt, was wir mit so viel Geld für tolle Projekte machen könnten. Bis Ende letzten Jahres sind seine Geschäfte ganz gut gelaufen, hiess es. Richtig in die Knie gingen sie erst seit drei Wochen.

Eigentlich wollte ich heute nochmal mit Lambert auf Entdeckungstour gehen. Daraus wurde dann nichts, weil ich noch Papierkram erledigen musste, der mich dann länger, als vorauszusehen war, aufgehalten hat. Wir hatten vor, auf Shopping-Tour zu gehen. Durch den Papierkram bin ich dann finanziell nicht ganz so aus dem Ruder gelaufen wie der gute Jérôme - aber vermutlich hätte seine Bank mir auch nicht soviel Geld anvertraut.

24. Januar 2008

Paris par Vélib

Paris, abends au bureau

Nachdem ich mich heute schon mal mental auf einen längeren Fußmarsch gefasst gemacht hatte, ist selbiger dann doch ausgefallen. Es wurde nämlich nicht gestreikt, jedenfalls nicht im Pariser Nahverkehr. Eigentlich schade, denn ich hätte mit Sicherheit neue Ecken erkunden können.

Einen ersten kleinen Einblick in den größten Teil des Wegs habe ich aber gestern dann bekommen. Ich war bei Kollegen zum Abendessen eingeladen. Die beiden wohnen nicht weit von hier weg, Denfert-Rochereau, also praktisch auf der anderen Seite des 'Mäusehügels'. Und da alles andere viel zu umständlich gewesen wäre und wir unterwegs noch ein paar Kleinigkeiten eingekauft haben, sind wir kurzerhand zu Fuß gegangen. Das hat ungefähr zwanzig Minuten gedauert. Von einigen Bausünden abgesehen, sind das 13. und 14. Arondissement eigentlich sehr schön.

Für alle Notfälle gibt es hier auch Leihfahrräder. Die stehen an Anschlußboxen, die praktisch über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Die nächste Vélib-Station ist nie weit weg. Leider ist es nicht ganz einfach, an einen Zugang zu kommen. Man muss einen Pass beantragen. Und nur damit kommt man an ein Fahrrad. Hätte sich vielleicht rentiert, wenn ich früher dran gedacht hätte, denn wie ich mittlerweile auch herausgefunden habe, ist meine morgendliche Métro-Tour ein ziemlicher Limbo.

22. Januar 2008

Allons enfants ...

Am Paris Schreibtisch bei Vollmond

Heute war ich zwar nur im IPH, aber mir wurde trotzdem einiges geboten. Vor der Salpetrière am Ende des Boulevard St. Marcel sammelten sich heute mittag Demonstranten und marschierten dann den Boulevard hinunter Richtung Stadtmitte!

Worum es dabei ging, hab ich nicht wirklich in Erfahrung bringen können. Es waren aber unendlich viele CGT-Fahnen dabei, also öffentlicher Dienst. Den Eisenbahnern sollen die Renten gekürzt werden. Bei Lehrern, Postlern und Finanzbeamten geht es um Gehaltskürzungen und Stellenstreichungen. Hier findet sich ein Artikel vom November letzten Jahres, in dem zusammengefasst ist, worum es seinerzeit ging. Die Demo war jedenfalls laut, bunt und kämpferisch. Wenn sich zuhause nochmal Menschen finden, die überhaupt für eine Demonstration auf die Straße gehen, geht das sehr viel sittsamer zu. Die Polizei hat nichts gemacht, sondern den Demonstrationszug einfach vorüber ziehen lassen. Es hat sich auch niemand darüber erregt, dass potenzielle Vandalen und Krawallmacher durch die Straßen ziehen.

Ich bin wahrhaft beeindruckt von der Stimmung, die die gemacht haben. Die Demonstranten haben zwar Parolen gerufen, aber alle Nase lang fuhr ein Pritschenwagen mit Musik vorbei und hat sie übertönt. Worum es geht, steht ja sowieso auf den Transparenten, dann kann man auch tanzen, singen und den Auflauf genießen. Daneben gab es Rauchbomben, Fackeln und Leuchtraketen. Der Boulevard war bis an die Regenrinnen mit Rauch und Dampf erfüllt. Jedenfalls hatten sie alle ihren Spaß. Ich bin richtig neidisch geworden!

Am Donnerstag wird übrigens die Métro bestreikt. Alle im Institut, die hierbleiben müssen, versuchen sich irgendwie zu organisieren. Hier müssen Streiks in der Métro nämlich vier Wochen vorher angekündigt werden, damit jeder Zeit hat, sich entsprechend darauf einzustellen. Dieses Maß an Fairness und Solidarität mit den Nicht-Streikenden finde ich bewundernswert. Die Frage ist nur, ob sie damit nicht ihr eigentliches Druckmittel unterlaufen.

Ob dann statt der Métro Busse fahren werden, weiß ich nicht. Die Busse sind im Berufsverkehr sowieso schon bis zum Bersten gefüllt. Sollten sie also fahren, dann werden sie aus allen Nähten platzen. Ich hab mir heute jedenfalls schon mal den Fußweg angeguckt. Es sind immerhin drei Kilometer, also etwa eine halbe Stunde, potenzielles Verlaufen nicht eingerechnet. Andererseits muß ich auch erst am späten Vormittag im Institut auftauchen und hätte dann genügend Zeit für gegebenenfalls notwendig werdende Kaffeepausen. Zwischen meinen Augen entsteht gerade eine bange Falte in Erwartung der Blasen ...

21. Januar 2008

Monkey business

Paris, schon wieder Licht aus hier am Schreibtisch

Leider schon vorbei, das schöne Wochenend und ich kehre wieder in den Pariser Alltag zurück. Aber nur ein bisschen. Und es tut auch nicht weh. Immerhin hatte ich heute den, in Zeilen ausgedrückt mit Abstand produktivsten Tag. Die daheim wird's freuen.

Ich habe noch gar nicht erzählt, dass ich Hanuman, den König der Affen, vor der Tür sitzen habe, der meinen Schlaf behütet. Hanuman hat, so wird im Ramayana erzählt, Rama dabei geholfen, seine Gattin Devi Sita aus den furchtbaren Klauen von Ravana zu befreien. Mir kann hier also gar nix geschehen, solange Hanuman mich beschützt. Wenn man bedenkt, wo Devi Sita überall herumgeschleift wurde von Beschützern, Befreiern und Entführern ... Aber immerhin wurden legendäre Schlachten geschlagen.

Und falls Hanuman, der außer mutig und stolz auch ein Geselle mit einer speziellen Sorte von Humor ist, mir mal nicht weiterhelfen kann, dann doch bestimmt die Marx Brothers. Humor nicht verlieren!

20. Januar 2008

Lamberts Abenteuer in Paris V

Paris, schon wieder dunkel am Schreibtisch

Heute haben wir mit Lambert einen Ausflug nach Montmartre gemacht und Sacre Coeur besucht. Sehr eigenartige Kirche, aber da es nunmal zum Lokalkolorit dazugehört, haben wir mitgespielt. Dort war es ziemlich ranzig, lauter Maler und ein Puff neben dem anderen. Na, mein Lieblingsplatz von Paris wird das jedenfalls nicht. Gegen Bohème hab ich ja nix, aber wenn es mit soviel Ranz einher geht, muss es auch nicht sein. Die Treppen waren aber sehr romantisch - so auf dem Hügel, das hat schon was. Was sich allerdings zu Füßen dieses Hügels abspielte, war dann weniger witzig. Ich finde Rotlicht-Viertel, egal wo sie sich auf diesem Planeten befinden, nicht besonders witzig. Und ich bin überzeugt, dass es den Frauen, die dort arbeiten müssen, nicht anders geht.

Die Füße haben sowieso nicht mehr richtig gewollt nach den Marschierereien während der letzten Tage. Meine beiden Männer haben sich also in aller Ruhe Paris angeguckt. Und wir hatten genügend Luft für einen Kaffee. Jetzt sind Lambert und ich schon wieder allein hier. Und jetzt plagt mich auch das Heimweh! Naja, vermutlich wird das in der nächsten Woche schnell vergehen. Und am nächsten Wochenende heißt es dann schon wieder Abschied nehmen von Paris.

19. Januar 2008

Lamberts Abenteuer in Paris IV

Paris: draußen Dunkelheit, am Schreibtisch Lampe

Lambert hat heute ausgedehnte Spaziergänge mit mir gemacht. Und da C. seit vorgestern da ist, ist jetzt Schluß mit lustig! Keine gemütlichen Spazierereien mehr, sondern im Trimmtrab einmal quer durch Paris. Lamberts und meine Füße qualmen! Aber immerhin sehen wir so mehr, als bei unserem normalen und gemütlichen Herumspazieren.

Angefangen haben wir heute früh am Eiffelturm. Lambert und ich, wir wollten rauf, C. wollte nicht warten - also haben wir die Treppe genommen. Seufz! Auf die erste Plattform ging ja noch, aber dann fingen die Füße ganz schön an zu qualmen. Zur Erfrischung hatte jemand Kunstschnee auf der Außenplattform verteilt. Da gabs dann auch Schneeschuhe. Wenn man die qualmenden Socken da reingestellt hatte, dann gings direkt wieder. Auf der zweiten Plattform waren wir dann auch. Dort hatten wir uns einen Kaffee mehr als verdient.

Wir spazierten dann über die Seine, über den Place du Trocadéro und die Avenue Kléber hinauf zum Arc de Triomphe. Auf das Monument sind wir nicht und das Museum haben wir uns auch gespart. Da hätte man durch finstere Kellergänge gemusst, unter dem Verkehr auf dem Étoile durch - nö, danach war uns nicht. Immerhin hat es heute den ganzen Tag nicht einen Tropfen geregnet, ganz im Gegensatz zu gestern. Zu schade, um den Tag drinnen zu verbringen.

Also sind wir gleich weiter geflitzt, die Champs Élysées hinunter. Wir haben den Élysée-Palast - und Sarko mit seiner hohen Rechnung von der Schönheitsfarm - links, und das Gelände der Weltausstellung, Grand und Petit Palais, rechts liegen lassen. Wir sind bis zur Place de la Concorde spaziert und haben dann über die Pont de la Concorde die Seine überquert. Vorbei an der Nationalversammlung sind wir den Boulvard St. Germain hinunter spaziert. Dass es dort das älteste Kaffeehaus der Welt gibt, gegründet 1686, hab ich weder C. noch Lambert verraten, denn zu dem Zeitpunkt waren wir schon schlappe sechs Stunden unterwegs und mir haben wahrhaftig die Socken gequalmt.

Die Kaffeehäuser sind hier alle ohnehin leidlich leer. Seit Jahresbeginn darf drinnen nicht mehr geraucht werden, zum draußen sitzen ist es nicht wirklich warm bzw. trocken genug - ich bin mal gespannt, wie lange die Pariser das mitmachen. Die sind da ohnehin etwas renitenter als die Wirte daheim.

16. Januar 2008

Keks-Patrouille

Paris, am Schreibtisch bei Dunkelheit

Dunkelheit - Müdigkeit, so könnte man am besten beschreiben, was die letzten Tage los war. Nachdem ich ein rasantes Programm hatte, dass mich kaum zu Atem kommen liess, bin ich jetzt völlig erschossen wieder au bureau angelangt. Für den ganzen Stress hab ich mir was verdient! Und zwar einen Monster-Cookie zu einer Tasse Nescafé. Und da ihr auch was abhaben könnt, stell ich das Foto mal ins Netz. Wäre ich eine Künstlerin, dann hiesse das jetzt 'Round shape No. 18' oder 'Bubbles of Deceit'. Aber ich bin ja nur Reisende ...

14. Januar 2008

Lost in space

Paris, na dann gute Nacht - aber immerhin am Schreibtisch

Na sowas, da wäre ich doch beinahe verloren gegangen heute abend. Und zwar - ausgerechnet - bei den Vereinten Nationen, die sich unmittelbar zu Füßen des Eiffelturms befinden. Also eigentlich alles sehr übersichtlich. Aber die U-Bahnstationen in der Nähe machen so viele Kurven und Wendungen beim Treppauf, Treppab, dass ich völlig die Übersicht verloren hab. Auf dem Heimweg hatte dann noch jemand das Licht ausgeknipst und dann war's gleich ganz vorbei. Wie auch immer: Lambert und ich haben es geschafft und sind jetzt wohlbehalten wieder in der Cité.

13. Januar 2008

Frühling in Paris

Paris, wieder daheim am Nachmittag

Heute habe ich einen weiteren Friedhof besucht und war auf dem Cimetière du Montparnasse. Auch hier will ich gar nicht erst versuchen aufzuzählen, wer alles hier beigesetzt ist. Der Friedhof ist nicht ganz so wildromantisch wie Père Lachaise. Die Gräber sind nicht ganz so verfallen und überhaupt ist dieser Friedhof nicht so überlaufen. Eine Ausnahme ist einzig das Grab von Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir, was vielleicht auch daran liegt, dass sie am 9. Januar hundert Jahre alt geworden wäre.

Über Nacht ist es ein paar Grad kühler geworden. Aber trotzdem haben einige Sträucher schon ausgetrieben und blühen. Es war sehr erholsam und entspannt auf dem Friedhof. Montparnasse ist auch etwas kleiner und liegt nicht auf einem Hügel. Die Wege sind ein bisschen besser in Schuß, will sagen, man kommt eher dazu, sich die Gräber anzusehen, statt ständig auf den Weg achten zu müssen.

Man Ray, der hier bestattet ist, wurde mal gefragt, was seiner Ansicht nach sein schönstes Werk sei. Es gab zwei, zwischen denen er sich nicht entscheiden konnte. Beides waren Fotografien. Die eine zeigt eine Frau mit den beiden Schalllöchern einer Violine auf dem Rücken, die andere, 'les larmes', die Augen einer Frau mit Tränen. Auf seinem Grabstein steht "unconcerned but not indifferent". Wenn die Menschen dies eines Tages mal über mich sagen sollten, dann werde ich leichten Herzens gehen können. Denn dann habe ich alles erreicht, was ich ehrlich gesagt im tiefsten Herzen erreichen möchte. Ich habe darüber hinaus auch das Grab einer jungen Frau gesehen. Auf ihrem Grabstein lag die lebensgroße Statue einer schlafenden Katze und ansonsten stand nur ihr Name da. Ich fand das sehr anrührend. Wahrscheinlich war sie einsam, denn die meisten anderen Grabstätten gehörten Familien. Kaum einer wurde allein beerdigt.

Auch Tristan Tzara, einer der Gründerväter des Dadaismus ist hier beigesetzt. Sein Grab ist sehr schlicht. Anders als die ringsherum, die schier unglaubliche Bauwerke tragen, sind auf seinem nur eine kleine Platte und viele Blumen. Das fand ich sehr schön, denn es zeigt doch, dass etwas weiterlebt, auch wenn jemand stirbt. Ein gutes Link für seine Verse hab ich nicht gefunden, denn Dada ist eigentlich sowieso nicht in andere Sprachen zu übersetzen. Er sagte darüber ohnehin: "On a toujours fait des erreurs, mais les plus grandes erreurs sont les poèmes qu'on a écrits." Insofern hätte ich ihm damit ohnehin keinen Gefallen getan.

Charles Baudelaire ist gleich mehrfach vertreten hier. Aus dem Reiseführer hab ich die Weisheit, dass er im Familiengrab seines verhassten Schwiegervaters beigesetzt ist. Das befindet sich ganz im Nordosten. Daher haben ihm die Pariser am anderen Ende des Friedhofs noch ein Ehrenmal gesetzt.

Erstaunlicherweise scheinen die Bestattungen auf den Friedhöfen, die ich in den letzten beiden Tagen besucht habe, nicht streng konfessionsgebunden zu erfolgen. Es gibt also keinen christlichen, jüdischen, muslimischen oder buddhistischen Teil, in denen die Gräber jeweils unterschiedlich angelegt wären. Alle liegen mehr oder minder beieinander. Am Ende meines Besuchs bin ich in der Nordwestecke des Friedhofs gelandet. Dort befanden sich überwiegend jüdische Gräber. Vielleicht interpretiere ich meine Beobachtungen nicht richtig. Falls die Beisetzungen aber nicht streng getrennt erfolgen sollten, halte ich das für ein schönes Symbol. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das mit allen Konfessionen so problemlos vereinbar ist oder ob das daheim aus rein traditionellen Gründen so gehandhabt wird.

12. Januar 2008

U-Bahn Philosophie

Dunkelheit in der Pariser Cité

Lambert hat Konkurrenz in puncto U-Bahn-Philosophie bekommen. Ausgelöst durch den wahlgetakteten Schwachsinn, den der derzeitige hessische Ministerpräsident verbrät, ist das Thema U-Bahn auch daheim gewaltig im Kommen. Von hier aussen betrachtet sieht das genau so aus, wie man es erwarten könnte: ein Sturm im Wasserglas. Und mit erstauntem und ratlosem Stirnrunzeln nehme ich zur Kenntnis, welche Wellen das Thema zu Hause gegenwärtig schlägt.

Wie auch immer, Jens Jessen, Kulturredakteur der Zeit, verwendet das Thema für eine Polemik gegen intolerante, deutsche Senioren, die mit ihrer aufdringlichen und besserwisserischen Erziehungsbereitschaft nur allzuoft selbst die Keimzelle für Aggressionen sind. Damit spricht er mir aus tiefstem Herzen! Jeder kann da was aus eigener Erinnerung beisteuern. Mir erinnerlich ist der Typus, der, wenn er aussteigen will, die auf dem Bahnsteig Wartenden anherrscht "Erstmal aussteigen lassen!"; will er aber gerade nicht aus-, sondern einsteigen, dann lässt sich das auch beliebig umkehren. In besonderer Erinnerung ist mir ein Zwischenfall in einem Wiesbadener Bus, in dem der Griff eines Stockschirms um meine Kehle mich am Hinsetzen hinderte, weil ich übersehen hatte, dass hinter mir noch ein amoklaufender Senior den Bus bestiegen hatte. Jens Jessen's Beitrag ist durchweg sehenswert und hier zu finden.

Micha Brumlik geht es zwar eigentlich um das Thema 'Jugendgewalt'; da das ganze Drama aber nunmal im öffentlichen Personennahverkehr aufgeführt wird, nimmt er dies zum Anlaß, sich darüber Gedanken zu machen, warum die U-Bahn sich denn eigentlich dafür so anbietet. U- und S-Bahn-Passagiere (oder 'Transportfälle' in der Diktion der Versorgungsbetriebe) sind demnach Orte, an denen Menschen gezwungen sind, längere Zeit kommunikationslos, dit: anwesend, aber nicht ansprechbar, miteinander zuzubringen. Zeitunglesen ist dabei eine Abschottungsmassnahme, die Neuorganisation persönlicher Datenmenge via Handy oder MP3-Player eine andere. Brumliks vollständiger Artikel findet sich hier.

Glücklicherweise ist das in der Pariser Métro etwas anders. Zwar sind hier auch viele mit Lesen beschäftigt, weitaus mehr telefonieren aber mit dem Handy. Vielleicht sind sie dann nicht vollständig im Hier und Jetzt des Métro-Wagens; allerdings ist Telefonieren nach meinem Empfinden immer noch weniger autistisch, als sich die akustische Wahrnehmung mit Kopfhörern zuzumüllen oder permanent an der Handy-Tastatur herumzufummeln. Was ja eigentlich schon wieder absurd ist. Immerhin geht es beim Handy ja ums Kommunizieren. Um einen meiner Lieblingsprofessoren zu zitieren: "Es gibt Leute, die reden den ganzen Tag, ohne dass sie was zu sagen hätten. Es handelt sich hierbei um kommunizierende Hohlräume." Vielleicht ist das alles aber auch altersabhängig.

Auf meiner Suche nach weiteren U-Bahn-Philosophen bin ich unerwartet auf einen WISO-Beitrag von Ulrich Kienzle gestossen, in dem er die Berliner U-Bahn mit der Pariser Métro vergleicht. Das Ganze gerät ihm unversehens zu einer Liebeserklärung an die Métro. Da muss Lambert sich jetzt allerdings mächtig ins Zeug legen.

Friedhofswächter

Paris, noch hell, aber schon wieder am Schreibtisch

Heute haben Lambert und ich einen Spaziergang über den Cimetière du Père Lachaise gemacht. Er erstreckt sich über einen ganzen Hügel. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts werden hier Bestattungen durchgeführt. Ich möchte gar nicht mit einer Aufzählung anfangen, wer hier alles beigesetzt wurde. Man kann am Eingang sogar Karten kaufen, auf denen eingezeichnet ist, welche Celebrities wo ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

'Ruhe' ist dabei ein reiner Euphemismus. Dass man sich einer x-beliebigen Grabstätte einer bekannteren Person nähert, ist recht einfach daran zu erkennen, dass die Pflanzen, mit denen die Gräber ringsherum geschmückt sind, niedergetrampelt wurden. Darüber hinaus standen permanent Dutzende von Menschen herum. Man kann sich dort ein recht gutes Bild darüber verschaffen, wie unterschiedlich der Umgang mit Toten in verschiedenen Kulturen gehandhabt wird. Es gibt Leute, die gehen mit gesenktem Kopf und still herum und gucken. Es gibt andere, die einfach neugierig sind. Und schließlich gibt es auch solche, bei denen die Toten gewissermassen noch anwesend sind. Man isst und trinkt mit ihnen, amüsiert sich und lacht. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie das dort im Sommer ausschaut. Es gibt dort sogar einen eigenen Sicherheitsdienst. Für die Angehörigen derjenigen, die in der Nähe solcher Gräber beigesetzt sind, ist das bestimmt kein Spass. Andererseits: Wer seiner Familie dieses Theater ersparen will, muss sich ja nicht gerade hier beerdigen lassen.

Angenehmer ist es dort, wo die Gräber nicht unmittelbar von den Hauptwegen einsehbar sind. Das Grab von Marcel Proust etwa, liegt direkt hinter einem richtig großen Monument. Es wird davon praktisch vollständig verdeckt. Wäre ich nicht abseits unterwegs gewesen, hätte ich es nicht entdeckt. Aber siehe da, hier herrschte Stille! Und ganz offen gestanden, ist es genau diese Ruhe, die mich an fremden Orten auf die Friedhöfe zieht. Mitten in der hektischen Betriebsamkeit der Städte kann ich einen Schritt zur Seite treten. Dann kann ich wieder mich selbst hören und nicht permanent die Stimmen anderer, die meine innere Stimme überbrüllen.

Lambert blieb denn auch lieber in der Tasche und guckte sich das ganze aus der Entfernung an. Eigentlich ist der Friedhof nämlich sehr schön. Da er sich über einen ganzen Hügel zieht, scheinen sich die Grabmale in vielen Etagen übereinander zu türmen. Es ist ein bisschen schaurig und richtig schön morbide. Keine Angst, ich werde jetzt nicht anfangen, über Vergänglichkeit zu philosophieren, auch wenn sich die moosbedeckten, umgekippten Grabsteine mit den verwaschenen Inschriften im älteren Teil des Friedhofs dafür anbieten würden.

11. Januar 2008

Newsflash Dinner

Paris, des Abends am Schreibtisch - wo sonst?

Ich sitze gerade am Schreibtisch und verzehre mein Abendessen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Lambert ist auf der Wiese und grast sich eins. Nachdem ich heute den ganzen Tag im IPH zugebracht und mich dort ungeniert mit Studierenden aus aller Welt amüsiert habe, erledige ich jetzt den restlichen Kleinkram am heimischen Schreibtisch.

Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich klage nicht. Wenn man nicht zuhause und nicht für alle ständig zugreifbar ist, kommt man richtig dazu was wegzuschaffen. Ausserdem kann ich hier in aller Ruhe recherchieren und werden nicht ständig wegzerrt und mit was anderem beschäftigt. Und da es hier Bindfäden regnet, hält mich auch nicht wirklich was von der Arbeit ab. Strebsam!

10. Januar 2008

Die Métro sorgt immer für Unterhaltung

Paris, am abendlichen Schreibtisch

Die Pariser und ihre Métro - das ist wahrhaftig ein unerschöpfliches Thema. Tagsüber ist das Ganze ja zu bewältigen. Allerdings bin ich dieser Tage natürlich hauptsächlich im Berufsverkehr unterwegs. Und das ist wirklich ein Abenteuer für sich.

Der Durchschnitts-Pariser marschiert in einem Affenzahn durch den morgendlichen Verkehr. Und da hat man nicht viel Auswahl: entweder man marschiert im selben Tempo mit oder man wird gnadenlos über den Haufen gerannt. Die Höflichkeit bleibt allerdings immer schön gewahrt. Sobald mich jemand berührt, und sei es auch nur an der Tasche, folgt ein "Pardon, Madame!" Was lernen wir daraus? Rempeln darf man, solange man sich hinterher dafür entschuldigt.

Und weil soviele Pariser Gebrauch von ihrer Métro machen, gibt es ein ausgeklügeltes System der Verkehrslenkung. Inklusive "Passage interdit". Da kommen nämlich die aus der Gegenrichtung - zu Fuß, wohlgemerkt. Ich freu mich schon auf C.'s Gesicht, wenn er das sieht. Da sind Kiwis und "Wrong Way" nichts dagegen.

Hier ist übrigens ein etwas schöneres Bild des Gebäudes, in dem ich arbeite. Wie man der französischen Website entnehmen könnte, ist es eine Stiftung von Albert von Monaco. Nicht dem derzeitigen Regenten, sondern von einem seiner Vorfahren. Eröffnet wurde es im Jahr 1914. Das Gebäude ist ziemlich interessant, zumal sich rundherum eine Serie von Friesen schlängelt. Auf der einen Seite sind ethnografische Studien dargestellt, die andere Seite zeigt paläoanthropologische. Die Idee dahinter liegt auf der Hand: Ethnografische Studien sollten paläoanthropologische anregen und leiten. So hat man sich das vor rund einhundert Jahren vorgestellt. Und nebenbei bemerkt: Das Bild ist nicht heute entstanden. Heute hat es leider den ganzen Tag, wie angekündigt, geregnet. Manchmal wünsche ich mir einfach, die Wettervorhersage wäre nicht so zuverlässig.

9. Januar 2008

Neues aus der Métro

Paris, am Schreibtisch in der Abenddämmerung

Keine Angst! Ich bin nicht in der Métro verloren gegangen, sondern immer noch da. Die Arbeit im Museum lässt mir allerdings nur wenig Spielraum für weitere Explorationen. Als Kompensation komme ich mit dem, was ich mir vorgenommen hatte, sehr gut weiter. Aber so ist das halt: Die eigentliche Arbeit ist eher unspektakulär. Wenn innerlich was Spannendes passiert, gibt es rein äußerlich wenig zu berichten.

7. Januar 2008

Lamberts Abenteuer in Paris III

Paris, au bureau bei Dunkelheit

Lambert bloggt wie ein Wilder - vielleicht sollte ich ihm langsam einen eigenen Zugang einrichten. Heute hat er Abenteuer in der U-Bahn erlebt.

Die Pariser Métro ist ein Kapitel für sich. Mich würde interessieren, wo hier in Paris eigentlich noch Platz für Katakomben sein soll. Die ganze Stadt ist durchzogen von einem Netz von Métro-Linien. Das ist ein regelrechtes Spinnennetz. Anders lässt sich das gar nicht mehr beschreiben. Eigentlich ist das sehr praktisch, denn man kommt von jedem x-beliebigen Ort an jeden x-beliebigen Ort, und das auf mehr oder minder direktem Weg.

Auf meinem Weg zum IPH muss ich zweimal umsteigen. Jedenfalls, wenn ich die Métro nehme. Das ist jedesmal ein regelrechtes Glückspiel. Ich versuche jetzt seit Freitag, mir den Fußweg von einem Bahnsteig zum anderen einzuprägen - aber das ist völlig zwecklos. Das Ganze ist ein recht konfuses System von Röhren, die über Verbindungsgänge und -treppen miteinander kommunizieren. Es geht ein bisschen runter, ein bisschen rauf, durch eine Sperre, scharf links um die Ecke, dann eine Treppe hoch, scharf rechts und wieder hinunter - und so weiter und so fort. Wahrhaft atemberaubend.

Regelmäßig lande ich am falschen Treppenauf- oder -abgang. Der Umstand, dass ich immer wieder Pariser sehe, die gleichermaßen stirnrunzelnd und überrascht vor Streckenplänen stehen, auf denen genau die Stationen fehlen, zu denen sie gerne möchten, beruhigt mich dabei ein bisschen. Ich bin jedenfalls nicht die einzige, die den Überblick vollständig verloren hat.

Am spannendsten ist das Umsteigen von der Regionalbahn, die auch in die banlieue fährt, in die eigentliche Métro des Stadtgebiets und vice versa. Die sind nämlich durch besonders lange Tunnels miteinander verbunden. In Les Halles-Châtelet verbindet die RER-Bahnstation zwei Métro-Stationen. In Summa ergibt sich daraus nicht nur die weltweit größte unterirdische Bahnstation, sondern auch ein Verkehrsknoten in vollem Wortsinne. Es gibt endlose Laufbänder, die die verschiedenen Bahnsteige miteinander verbinden. Wenn man auf dem falschen Band landet, kann man sich eigentlich nur elegant über den Handlauf schwingen, landet auf einem gegenläufigen Band, macht einen weiteren Hupfer und kann dann in den Tunnel entweichen, in den man möchte.

Ich habe beschlossen, jetzt "Nordwestpassage" zu spielen. (Anmerkung für Neugierige: Der Name des Spiels ist geklaut und zwar aus H. G. Wells' Die Tür in der Mauer.) Die Regeln sind ganz einfach: Man bricht in die Gegenrichtung auf und versucht sich, durch Umsteigen bis zum Ziel durchzuschlagen, ohne dabei übermässig viel Zeit zu verlieren. Ab morgen werde ich versuchen, jeden Morgen auf einem anderen Weg von der Cité universitaire zum Institute Paléontologie Humaine zu kommen. Mehr über die Abenteuer in der Métro gibt es dann hier - falls ich nicht komplett verloren gehe und bis ans Ende meiner Tage in den Métro-Katakomben herum geistere.

6. Januar 2008

Lamberts Abenteuer in Paris II

Paris, nachmittags wieder zurück am Rechner

Als wir heute früh aufgewacht sind, gab es einen Lichtblick: Lambert hatte lange genug geschlafen, um die morgendlichen Nebelschwaden zu verpassen. Wir zögerten nicht lange und machten uns auf den Weg zu einem kleinen Stadtspaziergang. Endlich ist Lambert in Paris richtig angekommen!

Unser Weg begann am Place de la Concorde. Wir warfen einen kurzen Blick auf die Champs Élysées und den Arc de Triomphe. Letzterer war kaum zu sehen und die elysischen Felder sahen alles andere als elysisch aus. Das lag vermutlich daran, dass die Bäume alle kahl waren. Naja, so ist das halt im Winter. Anschließend wanderten wir durch die Tuilerien bis zum Louvre. Auch die königlichen Gärten hätten sicherlich etwas Grün vertragen können, um spektakulär auszusehen. So war es nur kahl und nass. Aber immerhin: Ein autofreier Platz im Herzen von Paris, der nicht von Joggern völlig überschwemmt ist. Durch die anderen Parks und Gärten kann man sich meist nur im Gegenuhrzeigersinn bewegen, weil jede andere Bewegungsrichtung zwangsläufig dazu führt, dass man zum Geisterfahrer wird und gezwungen ist, ständig hin- und her zu hüpfen. Den Louvre haben wir uns diesmal nur von außen betrachtet, denn den wollen wir ja zusammen mit C. nochmal besuchen, wenn er kommt. Das Bild hier zeigt schon mal zwei Drittel davon.
Von dort spazierten wir dann zum Palais Royal und dem dazugehörigen Jardin. Unglücklicherweise hatten sich zu dem Zeitpunkt schon wieder Wolken in Formation geschoben. Das Bild ("Ceci n'est pas un héron!") spiegelt recht gut wieder, wie es sich anfühlte. Was hat eigentlich ein Sonnenkönig gemacht, wenn grade keine Sonne da war? All seine Pracht und seine Paläste scheinen wirklich nur in der Sonne zu wirken. Solches Wetter muss es doch auch im 17. Jahrhundert gegeben haben. War er vielleicht den ganzen Winter über in irgendeiner Sommer-Residenz? In Versailles kann das Wetter ja soviel anders nicht gewesen sein. Soweit ist es ja nicht weg. Im Palais Royal soll er jedenfalls aufgewachsen sein.

Schließlich spazierten wir noch die Avenue de l'Opéra bis zur Oper entlang - vorbei an all den eleganten Geschäften, die natürlich (glücklicherweise!) alle geschlossen waren. Man bedenke, was hätte passieren können, wenn Lambert erst die Pariser Haute Couture entdeckt hätte! Erstaunlicherweise gibt es in der Avenue de l'Opéra unglaublich viele Reisebüros von praktisch jeder Fluglinie auf diesem Planeten. Man könnte den Eindruck bekommen, als hätten Pariserinnen und Pariser nichts eiligeres zu tun, als schnellstmöglich von hier wieder wegzukommen.

5. Januar 2008

Wettervorhersage

Paris, nachmittags am Schreibtisch

Noch immer trübes Regenwetter. Es macht einem nicht wirklich Lust darauf, die Stadt zu erkunden - aber dafür bin ich ja auch nicht hier. Ein Blick in die Wetterkarte verspricht auch für die kommenden Tage keine Besserung. Guckt euch das hier bitte mal an:
Man beachte die feinsinnige Differenzierung zwischen Nebel, Nieselregen und leichtem Regen. Phänotypisch ist das egal: Es ist naß, eklig und macht keine Lust auf ausgedehnte Spaziergänge. Ist aber sicherlich eine große Beruhigung für diejenigen, die auf schöpferische Produkte meiner Arbeit warten: Nicht einmal das Wetter boykottiert hier meine Arbeitsfähigkeit.

4. Januar 2008

Hunde-Wetter

Paris, am Schreibtisch, kurz nach dem Livestream

Heute hat Paris sein Regengesicht gezeigt. Alles sehr traurig und überall nass. Es war also nichts mit einem romantischen Kaffee auf dem Trottoir.

Heute morgen konnte ich den Zwischenraum zwischen zwei Regentropfen nutzen und einen kurzen Spaziergang durchs Quartier machen. Eigentlich ist es hier nämlich richtig schön. Es gibt mehrere Parks in unmittelbarer Umgebung. Neben dem Jardin des Plantes, den ich bereits auf anderen Frühmorgen-Touren erkundet habe, liegt hier praktisch vor der Haustür der Jardin de Montsouris. Mäuse hab ich zwar keine entdecken können, dafür aber andere possierliche Tierchen, die hier praktisch ubiquitär sind: Hundeausführer und Jogger.

Mit den Joggern kann man als Fußgänger ganz gut klar kommen. Die sind auch nicht aggressiver als zu Hause. Aber an die Hundeausführer muß ich mich erst wieder gewöhnen. Zu Hause müssen die Ausführer die hinterlassenen Tretminen ja wegräumen. Und seit das Versäumnis sanktioniert wird, sind die meisten auch ganz brav mit Doggie-Bag unterwegs. In Paris hat man das noch nicht entdeckt. Hunde aller Größe und Couleur hinterlassen ihr Geschäft auf dem Trottoir, den Straßen, den Wegen in den Parks und so weiter und so fort, wo immer so ein Hunde-Popo eben hinpasst. Als passionierte Fußgängerin stellt mich das vor längst vergessene Herausforderungen: aufpassen, wo man hintritt. Den Blick fest auf den Meter Bürgersteig vor den eigenen Füßen heften, anstatt fröhlich-neugierig überall hingucken. Ob das nun auch den Kaffee auf dem Trottoir unromantischer gestalten kann, hab ich mir noch nicht überlegt.

In dem Kubikmeter vor meinen Füßen fiel mein Blick auf ein weiteres, vergessenes Relikt: Eine Tierhandlung, in der die Tiere in einem Gehege im Schaufenster ausgestellt werden. Ich kann mich noch gut an früher erinnern, als wir uns die Nasen an den Scheiben plattgedrückt haben, die uns von den süüüüüüßen Zwergkaninchen und Meerschweinchen trennten ("Mami, kann ich so eins haben? Och bitte, bitte!"). Aus weit besseren Gründen als gestresste Eltern sind sie dann von dort verschwunden. Und heute morgen stand ich dann urplötzlich vor einem Schaufenster mit Chow-Chow-Welpen. Ein paar davon waren rot, so wie ich sie kenne, aber es waren auch tausend andere Schattierungen darunter. (Ob allerdings die Zungen blau waren, kann ich beim besten Willen nicht sagen.) Jedenfalls waren die kleinen Kerlchen auch zu solch früher Morgenstund' schon putzmunter und quietschfidel, haben sich gebalgt und sind herumgetobt. Nun hat das mit Sicherheit auch die Bewandtnis, dass es im Augenblick relativ kühl ist und die Sonne heute jedenfalls nicht schien. Mir war nicht klar, dass die Züchter ihre Tiere hier noch so zur Schau stellen können.

3. Januar 2008

Lamberts Abenteuer in Paris

Paris, Abenddämmerung, au bureau

Endlich in Paris angekommen! Lambert kann es kaum erwarten, die große Stadt zu erkunden. Allerdings haben wir heute erstmal etwas gebraucht, bis wir hier waren. Der Zug vom Flughafen braucht bis zur Cité universitaire fast eine Stunde. Immerhin mussten wir nicht umsteigen, was mit dem schweren Koffer kein Spaß gewesen wäre.

Dann habe ich mich mit der Hausdame verständigt. Verstehen geht ja ganz gut. Aber wenn ich selbst nur radebreche, glaubt mir das auch keiner. Immerhin habe ich heute zwei neue Worte gelernt. Da ich nämlich nur zwei poêles in meiner kitchenette habe, habe ich gefragt, ob ich nicht eine davon gegen einen bouilloire eintauschen kann. Mal sehen, was morgen passiert. Ich habe von ihr eine lange Liste mit sämtlichen Einrichtungsgegenständen inklusive der Wände, Fenster und Türen bekommen, auf der der Zustand aller Dinge eingetragen werden musste. Da hat sich der Erwerb des Power Wörterbuchs mit den vielen Bildern und Kontext-Tafeln doch schon bezahlt gemacht. Ich hatte ja keine Ahnung! Hier in der Cité universitaire ist das Wohnen eben eine Herausforderung.

Die Möbel darf ich mit Postern behängen, wenn es unbedingt sein muss - aber auf gar keinen Fall darf was an die Wände. Immerhin habe ich das Internet zum Laufen bekommen (wie man hier ja sieht) - und das ist doch auch schon was.

2. Januar 2008

Kleine Vulkanlehre

Abends am Küchentisch

Gerade habe ich einen kleinen Abstecher in die Sonne gemacht: ein Foto-Trip nach Neuseeland. C. kann die Vulkane der Nordinsel nicht mehr auseinander halten. Und dabei sehen sie völlig unterschiedlich aus. Also nochmal. Das hier ist Mount Taranaki oder Mount Egmont. Es ist zwar ein 'echter' Vulkan mit einem Bilderbuch Vulkankegel, aber leider hat er uns mehr nicht enthüllt. Es war ja unser erster Besuch, aber bestimmt nicht der letzte!

Dann haben wir noch zwei Vulkane gesehen, die zur Tongariro Range gehören und im gleichnamigen Nationalpark liegen. Der erste heisst Mount Ruapehu (links) und ist der südlichere von beiden. Der Krater sieht ziemlich zernagt aus - insbesondere seit im März letzten Jahres ein natürlich entstandener Damm brach.

Durch den Kontakt zwischen Wasser und Lava bildete sich ein Lahar. Es ist glücklicherweise niemand verletzt worden.
Der andere heisst Mount Ngauruhoe (rechts). Der Bilderbuch-Vulkankegel ist einfach klasse, oder? Ist doch eigentlich ganz einfach.

1. Januar 2008

Zum Davonlaufen

Paris, am Schreibtisch in der Abenddämmerung

Die Zeit rast und ich rase auf meinen Paris-Aufenthalt zu. Wie üblich gibt es noch wahnsinnig viel zu schreiben, zu machen und zu tun. Die Hektik ist tödlich und verhindert, wie gewöhnlich, gewinnbringende Seitenblicke und geistreiche Bemerkungen.

Jetzt hat das neue Jahr gerade erst angefangen - und schon wieder läuft mir die Zeit davon.