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13. Januar 2008

Frühling in Paris

Paris, wieder daheim am Nachmittag

Heute habe ich einen weiteren Friedhof besucht und war auf dem Cimetière du Montparnasse. Auch hier will ich gar nicht erst versuchen aufzuzählen, wer alles hier beigesetzt ist. Der Friedhof ist nicht ganz so wildromantisch wie Père Lachaise. Die Gräber sind nicht ganz so verfallen und überhaupt ist dieser Friedhof nicht so überlaufen. Eine Ausnahme ist einzig das Grab von Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir, was vielleicht auch daran liegt, dass sie am 9. Januar hundert Jahre alt geworden wäre.

Über Nacht ist es ein paar Grad kühler geworden. Aber trotzdem haben einige Sträucher schon ausgetrieben und blühen. Es war sehr erholsam und entspannt auf dem Friedhof. Montparnasse ist auch etwas kleiner und liegt nicht auf einem Hügel. Die Wege sind ein bisschen besser in Schuß, will sagen, man kommt eher dazu, sich die Gräber anzusehen, statt ständig auf den Weg achten zu müssen.

Man Ray, der hier bestattet ist, wurde mal gefragt, was seiner Ansicht nach sein schönstes Werk sei. Es gab zwei, zwischen denen er sich nicht entscheiden konnte. Beides waren Fotografien. Die eine zeigt eine Frau mit den beiden Schalllöchern einer Violine auf dem Rücken, die andere, 'les larmes', die Augen einer Frau mit Tränen. Auf seinem Grabstein steht "unconcerned but not indifferent". Wenn die Menschen dies eines Tages mal über mich sagen sollten, dann werde ich leichten Herzens gehen können. Denn dann habe ich alles erreicht, was ich ehrlich gesagt im tiefsten Herzen erreichen möchte. Ich habe darüber hinaus auch das Grab einer jungen Frau gesehen. Auf ihrem Grabstein lag die lebensgroße Statue einer schlafenden Katze und ansonsten stand nur ihr Name da. Ich fand das sehr anrührend. Wahrscheinlich war sie einsam, denn die meisten anderen Grabstätten gehörten Familien. Kaum einer wurde allein beerdigt.

Auch Tristan Tzara, einer der Gründerväter des Dadaismus ist hier beigesetzt. Sein Grab ist sehr schlicht. Anders als die ringsherum, die schier unglaubliche Bauwerke tragen, sind auf seinem nur eine kleine Platte und viele Blumen. Das fand ich sehr schön, denn es zeigt doch, dass etwas weiterlebt, auch wenn jemand stirbt. Ein gutes Link für seine Verse hab ich nicht gefunden, denn Dada ist eigentlich sowieso nicht in andere Sprachen zu übersetzen. Er sagte darüber ohnehin: "On a toujours fait des erreurs, mais les plus grandes erreurs sont les poèmes qu'on a écrits." Insofern hätte ich ihm damit ohnehin keinen Gefallen getan.

Charles Baudelaire ist gleich mehrfach vertreten hier. Aus dem Reiseführer hab ich die Weisheit, dass er im Familiengrab seines verhassten Schwiegervaters beigesetzt ist. Das befindet sich ganz im Nordosten. Daher haben ihm die Pariser am anderen Ende des Friedhofs noch ein Ehrenmal gesetzt.

Erstaunlicherweise scheinen die Bestattungen auf den Friedhöfen, die ich in den letzten beiden Tagen besucht habe, nicht streng konfessionsgebunden zu erfolgen. Es gibt also keinen christlichen, jüdischen, muslimischen oder buddhistischen Teil, in denen die Gräber jeweils unterschiedlich angelegt wären. Alle liegen mehr oder minder beieinander. Am Ende meines Besuchs bin ich in der Nordwestecke des Friedhofs gelandet. Dort befanden sich überwiegend jüdische Gräber. Vielleicht interpretiere ich meine Beobachtungen nicht richtig. Falls die Beisetzungen aber nicht streng getrennt erfolgen sollten, halte ich das für ein schönes Symbol. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das mit allen Konfessionen so problemlos vereinbar ist oder ob das daheim aus rein traditionellen Gründen so gehandhabt wird.