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19. Februar 2008

Trügerische Hoffnungen

Finstere Nacht am Küchentisch

"Wo die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten."
Ton Steine Scherben

Ich habe schon wieder einen wirklich schwermütigen Gegenstand, nämlich trügerische Hoffnungen und vermeintliche Gewissheiten. Deshalb muss ich diesem post ein Mut machendes Motto voranstellen. Vollständig betrogen werden vermeintliche Gewissheiten beispielsweise in diesem Fall:

'My name is Ozymandias, king of kings:
Look on my works, ye Mighty, and despair!'
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away.
Ozymandias, Percy Bysshe Shelley (1817)

Ozymandias ist Wikipedia zufolge die gräzisierte Version des Thron-Namens von Ramses II. Er hat sich ein Denkmal errichten lassen - aber alles, sein Reich, seine Macht, seine Bauten, was immer er geschaffen hat - ist zerfallen. Sein Denkmal liegt zerschmettert im Sand der Wüste. Das ewige Lächeln auf den steinernen Lippen hat die Referenz verloren. Die Bedeutungen sind auseinander gefallen, wie auch die physischen Hinterlassenschaften. Die Ironie in Shelleys Gedicht ist, dass die Verzweiflung das einzige ist, was bleibt - allerdings nicht aus den Gründen, die Ramses sich bei der Errichtung des Monuments erhofft haben mag. Shelleys Verzweiflung währt ebenso ewig wie Dantes Höllenpforte und die Qualen, die sich dahinter verbergen.

Mein zweites Beispiel ist dagegen sehr viel persönlicher. Hier geht es um eine junge Frau, die ihr Glück in der Stadt sucht und trotz Rückschlägen nicht hin nimmt, dass sich die Hoffnung darauf als trügerisch erweisen könnte:

"Unterkriegen lassen will sie sich nicht. Ist sie doch hier in München, in der Stadt, um ihr Glück zu machen. Und das Glück, das würde sie schon machen. Da ist sie sich sicher. Ist sie doch ein hübsches Mädchen. Jeder kann das sehen. Sie selbst kann es sehen, wenn sie an den Schaufenstern vorbeigeht. Ihr Glück wird sie machen, da ist sie sich sicher. Ihr Glück."

Als sich kurz darauf der letzte ihrer Glücksmomente in Luft auflöst, erkennt sie, dass sie ihr Glück längst gemacht hatte. Sie erkannte das nicht rechtzeitig und so hat sie es wieder verloren, ohne es recht zu bemerken.

"(...) was hätte sie ihm auch sagen sollen, da sie selbst nicht wusste, was sie heute machen, wo sie hingehen würde. Was hätte ihr das genützt, oder hätte sie ihnen erzählen sollen von den Sommern mit den bloßen Beinen und von dem Glück, dass sie damals empfunden hatte, wie sie mit ihren Füßen durch die Pfützen gewatet ist. Hätte sie ihm sagen sollen, dass jene Sommer die besten in ihrem Leben waren und dass sie (...) ahnte, nein wusste, dass es auch die besten Sommer in ihrem ganzen Leben bleiben würden."
Kalteis, Andrea Maria Schenkel

Kathie, die junge Frau, von der hier die Rede ist, hatte nicht die Ewigkeit im Sinn. Sie hat nur auf ein kleines Eckchen persönliches Glück gehofft - Matsch zwischen den Zehen eben. Aber wie auch im Fall von Ozymandias hat das Schicksal es anders gewollt. Beider Pilgerfahrten endeten vor dem Purgatorium.